Visionen für ein Mahnmal #4
Künstler*innen-Gespräch mit Philipp Khabo Koepsell & Sandrine Micossé-Aikins
Mittwoch, 18. Juli 2018, 18:30 Uhr
Universität der Künste Berlin
Hardenbergstraße 33, Raum 004
10623 Berlin
Im Rahmen des offenen Seminars "Richtlinien für ein Mahnmal zum Kolonialismus" der Afrika Akademie/Schwarze Volkshochschule und des Instituts für Kunst im Kontext der Universität der Künste Berlin laden wir herzlich zum Künstler*innen-Gespräch ein.
An diesem Abend werden die beiden Künstler*innen im spontanen Gespräch aus eigenen künstlerischen Positionierungen heraus ihre Gedanken und Wünsche, Visionen, Zweifel etc. in Bezug auf ein in Berlin bevorstehendes Mahnmal zum Kolonialismus bzw. kolonialen Verbrechen, anbringen.
Sandrine Micosse-Aikins in einem Interview:
Ich denke Kunst kann ein Türöffner für gesellschaftliche Teilhabe sein, indem sie Sichtbarkeit erzeugt. Ich finde aber, dass wir noch relativ wenig tatsächliche Öffnung in Kulturinstitutionen erreicht haben. Es genügt eben nicht, das eine oder das andere Theater zu haben, in dem auch Menschen mit Behinderung auf der Bühne stehen. Oder Orte wir das Ballhaus Naunynstraße oder das Gorky in Berlin, in dem auch von Rassismus betroffene Menschen auf und hinter der Bühne professionell arbeiten. Ihre Präsenz sollte Selbstverständlichkeit an allen Häusern sein und sollte sich eben auch nicht nur auf das „Einfügen von Körpern" beschränken. Mit diesen Menschen werden auch Themen in die Räume getragen werden, die unbequem sind und unsere Gesellschaft grundsätzlich hinterfragen. Das muss zugelassen und darauf muss sich vor allem eingelassen werden. Insofern ist Kunst tatsächlich ein Gradmesser, wenn wir betrachten, welche Inhalte vorkommen oder eben nicht, wessen Kunst als Kunst anerkannt wird und welche nicht. Wer für seine künstlerische Arbeit bezahlt wird und wer nicht. Welche Künstlerinnen und Künstler in den Galerien zu finden sind und welche nicht. Wer welche Rollen in Theater und Film spielen darf. Wenn man da genau hinschaut, kann man da sehr viel über die Gesellschaft lernen.
Philipp Khabo Koepsell, aus dem Vorwort in: The Afropean Contemporary, Literatur- und Gesellschaftsmagazin, epubli, 2015:
Afrofuturismus hat nichts mit Raumfahrt zu tun; es ist die Einstellung, "Raumfahrt" als realisierbares Ziel einer Schwarzen Lebensrealität zu etablieren. Es geht darum, ein Paradigma zu schaffen, in dem Schwarze Held_innen möglich sind. Nicht, weil wir es uns so wünschen, sondern weil es immer schon so war, die Mehrheitsgesellschaft dieser Narrative aber keine Aufmerksamkeit schenkte. Schwarze Geschichte in Deutschland wird weitläufig als Fußnote der deutschen Nachkriegs- und Migrationsgeschichte beschrieben, Schwarze Literaturproduktion und politischer Aktivismus (also "Agency") als Entwicklung der 1980er Jahre. Dies sind selektive Narrative, die uns — wenn wir sie unhinterfragt hinnehmen — um einen signifikanten Erfahrungsschatz betrügt. Es ist also auch eine geschichtliche Aufgabe.
Sandrine Micossé-Aikins leitet seit Mai 2016 die Geschäftsstelle des Berliner Projektfonds Kulturelle Bildung. Sie ist Kunstwissenschaftlerin, Kuratorin, Design-Thinking Coach und Aktivistin. Sie arbeitet schwerpunktmäßig zu Rassismus und Empowerment in der Kunst, der Wirkmacht kolonialer Bilder, Körperpolitik sowie Repräsentation und Teilhabe im deutschsprachigen Kunst- und Kulturbetrieb. Sie ist Mit-Begründerin des Bündnisses Kritischer Kulturpraktiker_innen sowie der Inititative Bühnenwatch und Koordinatorin der Kampagne »No Humboldt21!«. 2012 gab sie gemeinsam mit Sharon Dodua Otoo die Anthologie The Little Book of Big Visions: How to Be an Artist and Revolutionize The World (Edition Assemblage) heraus. Als Mitglied des Kunstkollektivs METANATIONALE entwickelte und kuratierte sie „Re/Positionierung: Critical Whiteness – Perspectives of Color" (2009), eine Serie von Events sowie die Ausstellung "Making Mirrors: Of Bodies and Gazes" (2011), beide in der NGBK Berlin. Sie war Co-Kuratorin der international renommierten Ausstellung „prêt-à-partager: a transcultural exchange in arts, fashion and sports", ein ifa-Project, welches in Accra, Maputo, Cape Town und Addis Ababa und in anderen Afrikanischen Städten präsentiert wurde. Sandrine Micossé-Aikins studierte Malerei an der University of Mauritius sowie Kunst im Kontext an der Universität der Künste Berlin. Derzeit arbeitet sie unter dem Arbeitstitel „POC – People of the Comb" an ihrer Doktorarbeit zu Hair Politics in Ghana. (Quelle: verschiedene Internetquellen)
Philipp Khabo Koepsell ist ein Poet, Dramaturg, Herausgeber und interdisziplinärer Künstler. Er studierte Afrikawissenschaften und Englisch an der Humboldt-Universität. Inhaltlich befass er sich mit Schwarzen Identitätsverhandlungen, Afrofuturismus, Kolonialismus und Empowerment. Er ist Herausgeber einer Buchreihe über afro-diasporische Kulturproduktion in Deutschland. Als Dichter / Spoken Word Performer tritt er auf internationalen Bühnen, als Dramaturg betreut er Theaterstücke für das Berliner Theater Ballhaus Naunynstraße und freie Theatergruppen und kuratiert Symposien und Veranstaltungsreihen. Als Rapper und Produzent spielt er auch mit der Live-Band New Night Babies, die sich aus Instrumentalisten, Poet_innen und Sänger_innen aus drei verschiedenen Kontinenten zusammensetzt. Er ist Vater einer Tochter und lebt und arbeitet in Berlin. Bekannt wurde Philipp Khabo Koepsell durch sein Buch „Die Akte James Knopf: Afrodeutsche Wort- und Streitkunst", eine zweisprachige Sammlung von Poesie und Rap-Texten, in der er alltägliche Rassismuserfahrungen und den gesellschaftlichen Umgang mit Deutschlands Kolonialgeschichte thematisiert. Seine Texte traägt er in Deutschland und im englischsprachigen Ausland auf Literaturfestivals und akademischen Tagungen und Kongressen vor. 2011 tourte er durch Südafrika und trat unter anderem beim Goethe-Institut Johannesburg[, an der Witwatersrand-Universität, an der Universität Stellenbosch und an der Deutschen Schule Kapstadt auf. Er war zwischen 2012 und 2014 mehrmals Teilnehmender des Festivals afrikanischer und afrikanisch-diasoprischer Literaturen der Bayreuth International Graduate School of African Studies. Als Kulturschaffender und Aktivist zeichnete er sich durch seine offene Kritik an Brett Baileys Installation Exhibition B aus und warf Bailey die Reproduktion rassistischer Klischees vor. Zusammen mit Asoka Esuruoso veröffentlichte er die englischsprachige Anthologie „Arriving in the Future: Stories of Home and Exile", in der Poesie und Kurzgeschichten von 26 afrodeutschen Autorinnen und Autoren präsentiert werden, die Deutschland als permanenten oder temporären Lebensmittelpunkt betrachten. Die Veröffentlichung des Buches „Arriving in the Future" wurde begleitet von der gleichnamigen Veranstaltungsreihe am Berliner Theater Ballhaus Naunynstraße. Philipp Khabo Koepsell war Dramaturg für die Aufführungen verschiedener Theaterstücke und Performances, unter anderem „Performing Back" von Simone Dede Ayivi und „Jung, giftig und Schwarz" von Amina Eisner und Thandi Sebe. Er war Dramaturgieaisstent für Idil Üners Theaterstück „Süpermänner". Geschrieben hat Philipp Khabo Koepsell unter anderem für das Berliner Theaterkollektiv „meet MIMOSA".Im Frühjahr 2015 kuratierte er das Netzwerktreffen Erste Indaba Schwarzer Kulturschaffender in Deutschland im Ballhaus Naunynstraße in Berlin. Die gleichnamige Publikation, eine Dokumentation des Netzwerktreffens, wurde im September 2015 veröffentlicht. Im Jahr 2015 veröffentlichte er das Buch „The Afropean Contemporary: Literatur- und Gesellschaftsmagazin", eine Anthologie, die er als afrofuturistisches Literaturmagazin beschreibt. Im Rahmen der Ausstellung FAVT - Future Africa Visions in Time am Iwalewahaus Bayreuth zeigte er im November 2015, zusammen mit der Anglistin und Afrikawissenschaftlerin Susan Arndt und dem Künstler Paul D. Miller, die Installation Beyond Wagner's Futures, die sich mit Richard Wagners Einfluss auf die deutsche Kolonialgeschichte beschäftigt. (Quelle: Wikipedia, Webseite des Künstlers)
www.afrikaakademiesvhs.net