Sicht im Anhören

Veronika Albrandt

 

Die widerständigen Bewegungen über die Grenzen Europas hinweg und die selbstorganisierten Gruppen der Neuangekommenen fordern die herrschende Ideologie heraus. Sie fordern gleiche Rechte ein und stellen damit sowohl die gesellschaftlichen Hierarchien in Frage als auch die Rolle von Deutschland in der Welt. Doch wie gewaltvoll sind die deutsche Politik und das Rechtssystem, wenn es um die Grenzziehung zwischen „wir“ und „anderen“ geht, und welche Repräsentationen dienen dazu, diese Gewalt zu kaschieren und zu legitimieren?


Koloniale Narrative über afghanische Frauen in erzählerischen Disziplinen wie Film und Literatur sowie Repräsentationen der Justiz wirken auf die Entscheidungspraxen von Behörden und Gerichten im Hinblick auf das Recht auf Schutz. Die Webseite sicht-im-anhoeren.net bringt Bilder und Sprache zusammen: Zitate aus Rechtsurteilen, algorithmisch sichtbar werdende Abbildungen von Justitia und Fotografien von den afghanischen Frauen, Standbildern aus Filmen und aus journalistischen Videos, die wiederum von einer persönlichen Erzählspur begleitet entstehen. Im Verweilen auf der Webseite entsteht ein Bild der Justiz, das die Spannungen, die sich aus den Nebeneinanderstellungen verschiedener Stimmen ergeben, aufzeigt. Dieses sich abzeichnende und zugleich instabile Bild macht Anknüpfungspunkte für weitere widerständige Erzählung sichtbar und thematisiert zugleich Widersprüchlichkeiten des Legalen.

 

http://sicht-im-anhoeren.net/

Nachdem Veronika Albrandt ihr Diplomstudium Mathematik in Münster abgeschlossen hat, studierte sie an der Westminster University in London, BA Fotografie. In ihrem letzten Studium, MA Kunst im Kontext, vertiefte sie ihr theoretisches und praktisches Wissen in kritischer Kunstvermittlung und Repräsentationspolitiken, mit Fokus auf intersektionale, feministische und rassismuskritische Diskurse und Praktiken.

Betreut von Claudia Hummel

Zwei algorithmisch bewegte Standbilder von der Illustration der Justitia aus dem Buch „Stultifera Navis“ von Sebastian Brant, 1497