Identitäre in Kunst und Kultur?
Leon Kahane
Montag, 14. Mai 2018, 19:00
Universität der Künste Berlin
Institut für Kunst im Kontext
Einsteinufer 43-53, Raum 308
10587 Berlin
Der Kunstbetrieb ist kosmopolitisch und wo wurde die weltweit geachtete deutsche Erinnerungskultur ausgeformt, wenn nicht in der Kunst- und Kulturlandschaft selbst.
Die Realität deutet auf etwas anderes hin. Eine ablehnende Haltung gegenüber der Moderne hat in weiten Teilen der Kunstwelt dem Kulturpessimismus den Weg bereitet. Der Kunstmarkt wird mit dem gleichen regressiven Vorwurf des Antikapitalismus kritisiert wie das Bankenwesen.
Die kosmopolitische Lebensrealität wird als (ungewolltes) Privileg und eine Bürde zwar gelebt, aber verachtet.
Aus einer kulturpessimistischen Grundstimmung wird das Übel der Welt in der Moderne und der Globalisierung gesehen, die ihren Ursprung ebenfalls in einem westlichen Kulturimperialismus haben.
Das Bedürfnis privilegierter Kunstschaffender nach moralischem Ausgleich gegenüber den Unterprivilegierten der sogenannten dritten Welt hat seinen Ausdruck in einer antiimperialistischen Gegenbewegung gefunden, die vor allem Amerika und den Zionismus als exemplarisches Feindbild erkannt hat.
Aus dieser antithetischen Haltung wird sich mitunter auf die Seite antiemanzipatorischer Bewegungen gestellt. Jener Logik folgend, kann eine Emanzipation hin zu den Standards der modernen Gesellschaft nicht authentischen sein. Dies widerspricht dem identitären Weltbild, das diesem Antiimperialismus zugrunde liegt.
Daraus resultieren zunehmende Identifikation mit Traditionalismen und verstärkte Abneigung gegen die Moderne, die Aufklärung und teilweise die Demokratie selbst.
Der jüdische Universalismus steht dieser Weltanschauung gegenüber. Das führt, ob ausgesprochen oder nicht, zu antisemitischen Haltungen in der zeitgenössischen Kunstwelt.
Die Kunstdiskurse werden sich in der näheren Zukunft mit diesem Phänomen befassen müssen, da sich schon jetzt abzeichnet, dass die Neue Rechte, allen voran die Identitäre Bewegung, daran interessiert ist, in den identitätspolitischen Domänen eine Meinungshoheit zu gewinnen.
Dies lässt sich gut am Beispiel Antisemitismus erkennen, wo ein tatsächlicher Antisemitismus in migrantischen Milieus genutzt wurde um vom eigenen Antisemitismus abzulenken und ihn in Gänze umzuschreiben. Dieser revisionistische Rollentausch zeigt sich auch am Beispiel des von Mitgliedern der AFD organisierten Frauenmarschs in Berlin.
Sobald die aufklärerische und emanzipatorische Linke Tabus, Diskurslücken und Unklarheiten bei zentralen Themen zulässt, wird der Neuen Rechten die Möglichkeit gegeben, das für die eigene politische Agenda ideologisch zu missbrauchen.
Identitäre und AFD haben die Bedeutung von Kunst und Kultur mit allem was dazu gehört deutlich erkannt. Die Grundlage ihres Gesellschaftsbildes bildet der Ethnopluralismus, der die Welt “sauber” nach Ethnien aufteilt, wobei die vermeintlichen Ethnien mit ihren jeweiligen Kulturen und Traditionen eine ungebrochene Identifizierung ermöglichen.
Die Feindbilder dieser Ideologie haben auch im linken politischen Spektrum viele Anhänger.
Um einer Querfrontbildung in aktuellen Kunst- und Kulturdiskursen entgegenzuwirken, ist es wichtig, Antisemitismus zu thematisieren, der sowohl für das ethnopluralistische- als auch das identitäre Narrativ die Grundlage bildet.