Material, Prozess und Form

Joshua Zielinski

 

Das Ziel meiner Masterarbeit ist es, meine künstlerische Praxis in einen kunsthistorisch-theoretischen Kontext zu stellen. Mir ging es darum, Bildhauerei als Gattung zu überdenken und meine eigene Position herauszuarbeiten. Die Begriffe Skulptur, Plastik, Form und Prozess, die in meiner praktischen Arbeit von zentraler Bedeutung sind, sowie die damit jeweils verbundenen Vorstellungen habe ich dabei analysiert.

Anregung für diese Auseinandersetzung war für mich das Theorie-Praxis Seminar „Formless“ von Heike-Karin Föll, an dem ich zu Beginn dieses Studiums teilgenommen habe. Der Begriff Formless bezieht sich auf Georg Batailles Begriff „l’informe“, zu Deutsch „formlos“, den er 1929 in seiner Zeitschrift „Documents“ geprägt und benutzt hat. Nicht nur als ein Adjektiv, sondern vor allem als eine Operation gedacht, sah Bataille die Aufgabe von „l’informe“, mit überkommenen Kategorien und Formvorstellungen zu brechen und die Kunst von einer idealisierenden Sichtweise zu befreien. Ein weiterer theoretischer Anhaltspunkt war die Verschiebung weg von einer vollendeten Form als bildhauerisches Ziel hin zu einem prozessorientierten Verständnis eines Kunstwerks, die seit den späten 1960er Jahren theoretisiert worden ist. Rosalind Krauss’ „Skulptur im Erweiterten Feld“ und Robert Morris’ Begriffe von „Anti Form“ und „well-built“ sind daher für mich entscheidende Referenzen. Meine künstlerische Praxis versuche ich anhand dieser Überlegungen zu definieren.

Art in Context (Kunst im Kontext), Universität der Künste Berlin (UdK Berlin), Rundgang 2018
Oberfläche des Steins

Im praktischen Teil der Masterarbeit beschäftige ich mich mit einem Monolith, einem Stück Stein. Dessen untypisch, diagonal gesägte Form und die Bruchkante lassen vermuten, dass es sich dabei um ein abgetrenntes Stück eines größeren Blocks handeln muss, ein Verschnitt also. Ähnlich wie Abfall, den ich unter anderem mit dem Begriff des „informe“ verbinde und der Fragen über Wertschöpfung aufwirft. Es ist eine bewusste Entscheidung, die brüchige Beschaffenheit des Steins miteinzubeziehen. Das Material entzieht sich so einer vollständigen Kontrolle. Meine Bearbeitung ist dadurch nicht auf ein vorab konzipiertes Resultat und Produkt ausgerichtet. Es handelt sich um einen Arbeitsprozess mit offenem Ausgang. In unregelmässigen Abständen wurde der Stein während der Arbeit gewendet. Jede Drehung ergab andere Flächen, die jeweils neu und anders bearbeitet werden können. Spuren der Vergangenheit des Steins wurden mal sorgfältig präserviert, mal leichtsinnig weggeschlagen. Das Drehen ist eine Methode, um auf eine Form zu kommen, ohne sie vorher festgesetzt zu haben.
Die Präsentation zitiert diese Handlung. Temporär, auf die Dauer der Ausstellung beschränkt, soll der Stein jedes Mal auf andere Weise gezeigt werden. Ich versuche damit, die Idee einer festgelegten Komposition zu befragen und eine dauerhafte Orientierung zu vermeiden.

Eingesetzte Metallkeile
Art in Context (Kunst im Kontext), Universität der Künste Berlin (UdK Berlin), Rundgang 2018
Bruchkante
Art in Context (Kunst im Kontext), Universität der Künste Berlin (UdK Berlin), Rundgang 2018
Stein während Wendungsmanöver

Joshua Zielinski
*1986 Dearborn, Michigan, USA. Lebt und arbeitet seit 2009 in Berlin. 2018 MA Studiengang Kunst im Kontext an der UdK, Berlin. 2017 Studienabschlußstipendium der UdK, Berlin. 2016 Kunst am Bau Arbeit, Berlin. 2014-2013 Ein Jahr Künstler Residency an der Cité Internationale des Arts, Paris. 2013 Meisterschüler der Bildhauerei an der Kunsthochschule Weißensee Berlin. 2012 Diplom der Bildhauerei an der Kunsthochschule Weißensee Berlin. 2011 DAAD geförderter Studienaufenthalt in Kooperation mit dem Goethe Institut, Kolkata. 2008 BFA an der Western Illinois University, USA.

Betreut von Heike-Karin Föll