FEMharmonic

Kritische, feministische Perspektiven in der klassischen Musik

Rosanna Lovell

 

Diese Masterarbeit überlegt, welche Geschichten, Erfahrungen und Perspektiven in der normativen Erzählung über klassische Musik ausgeblendet werden. Sie lehnt die vermeintliche Autonomie der Musik ab und betrachtet sie als eine Kunstform, die kulturelle Prozesse und Ideologien reflektiert und inszeniert. Die Arbeit besteht aus einem schriftlichen Teil sowie der künstlerischen Arbeit eines kritischen Kunstvermittlungsprojekts, das in Form einer Walking Tour am 26. und 27. Mai 2018 in Berlin stattgefunden hat: FEMharmonic. Eine Walking Tour / ein Spaziergang zur, um und über die Berliner Philharmonie.

Ein Überblick über neu veröffentlichte Forschungen zu diskriminierenden Funktionen im Feld der klassischen Musik sowie Fragen von Gender und Zugang, waren Grundlage für diese Arbeit. Die theoretische Auseinandersetzung regte mich dazu an, diese Forschungsaspekte zu vermitteln und war zugleich Ausgangspunkt für die Entwicklung der Walking Tour. Daran anknüpfend, habe ich mich mit verschiedenen Theorien über Stadt und Raum beschäftigt, um den Ort der praktischen Arbeit, die Berliner Philharmonie und ihre Umgebung, zu erforschen und zu reflektieren. Die Tour wurde ortsspezifisch um die Philharmonie herum entwickelt. Die Themenfelder aus den Forschungen wurden dadurch auf einer lokalen Ebene kontextualisiert. Zugleich ist dies ein Ort, an dem Kanon und Institutionen der klassischen Musik hinterfragt werden können, auch um eine kritische Geschichte des Ortes aufzuzeigen.

Foto: Lea Fabrikant

Durch eine spielerische und verkörperte Besetzung des Ortes und seiner Räume wurde der Versuch unternommen, diese Institution anders wahrzunehmen und zu erfahren. Ziel war dabei der Versuch die Philharmonie von ihrer üblichen normativen Darstellung zu befreien. Die Erfahrungen aus der Walking Tour zu, in und um diesen Ort wurden anhand von Theorien und Gedanken zur Institutionskritik, zur kritischen Kunstvermittlung sowie durch die Praxis des Zuhörens und der Performance reflektiert und thematisiert.

Diese Arbeit zeigt Möglichkeiten auf, wie eine informierte und kritische (Vermittlungs-) Praxis neue Perspektiven aus Forschung und theoretischer Arbeit einbeziehen und weiterentwickeln kann. Sie fragt dabei auch wie eine solche Praxis Musikinstitutionen, deren kulturelle Praktiken sowie deren Vermittlungsarbeit transformieren oder erweitern kann. Welche harmonics sind zu hören?

Foto: Lea Fabrikant
Foto: Pip Hare

Rosanna Lovell
*1982, Adelaide, Australien, lebt und arbeitet in Berlin. Bachelor of Arts und Bachelor of Music (The University of Adelaide), Master of Art in Context (UdK Berlin). Ihre Praxis konzentriert sich auf feministische und postkoloniale Perspektiven in der klassischen und neuen Musik sowie auf kritische und selbstreflexive Praktiken in den Künsten und der Vermittlungsarbeit. Sie ist als Musikerin, Pädagogin, Performerin, Radiomacherin und Klangkünstlerin tätig.

Betreut von Claudia Hummel