Die Steine Medusas

Eine künstlerische Vision des Zeitalters nach dem Ende des Menschen

Hasan Aksaygın

 

In Hasan Aksaygıns Oeuvre spielen zeitliche und räumliche Beziehungen eine wichtige Rolle, um die Inhalte seiner Bilder zu gestalten. Darüber hinaus sind sprachliche Erfahrungen in der Wahrnehmung alltäglicher Bilder sowie das Potenzial von Sprache als konzeptueller Grundlage von großer Bedeutung. Diese Affinitäten haben in Aksaygıns Praxis zwei große Schauplätze gefunden: Leinwandbilder und Wandbilder. Es ist für ihn eine gängige Geste, dass er für jedes Gemälde (Leinwand) unterschiedliche künstlerische Materialien und Medien verwendet oder dass er ortsspezifische Kunstwerke (Wandbilder) produziert, die zu einer bestimmten Umgebung gehören. In beiderlei Hinsicht versteht er sich als Porträtist. Denn jedes einzelne Thema, an dem er in seiner künstlerischen Praxis arbeitet, wird immer über die Körper der Menschen in seinem Leben oder vor allem über seinen eigenen in Form von Selbstporträts rekonstruiert. Sie können naturalistisch und realistisch erscheinen oder als symbolische und abstrakte Wege in Aksaygıns malerischen Bildern.

Sein Abschlussprojekt handelt von einer fiktiven Annäherung an einen bestimmten geologischen Stein, dessen Entstehung während des menschlichen Aussterbens oder der postanthropozänen Epoche stattfinden wird. Es ist eine Art rot-kondensierter Kalkstein, der nicht nur die üblichen sedimentären organischen, d.h Calciumcarbonat (CaCO3) bildenden schalenbildenden Meerestiere, sondern auch Spuren menschlicher und anderer nicht-menschlicher Wesen enthält. Ein solches Gedankenexperiment im fiktiven Blick eines zukünftigen (vielleicht posthumanen) Geologen würde uns aufzeigen, was in diesem Stein nach seiner Entdeckung erkennbar und lesbar sein könnte. Das Projekt manifestiert sich als Reihe von gemalten Darstellungen des Gesteins in verschiedenen kubischen Schnitten. Auf diese Weise stellen diese kubischen Schnitte eine fragmentierte und versteinerte organische Suppe von Körpern dar, die zum Körper der Welt werden, oder zu einem organlosen Körper, wie es bei Deleuze & Guattari heißt, um von der multiperspektivischen Position des zukünftigen Geologen, Betrachters und Künstlers gleichzeitig interpretiert oder gelesen werden zu können. Sie postulieren auch eine Warnung vor den selbstzerstörerischen Problemen von heute, die durch die Kluft zwischen Kultur und Natur in der Kontinentalphilosophie und die daraus abgeleiteten humanistischen, sexuellen, ethnischen, rassischen und ontologischen Produktionen der Dualität beeinflusst werden. Ferner zielt dieses Projekt darauf ab, das Problem, das Clarie Colebrook die myopische Aufmerksamkeitsdefizitstörung der Menschheit in Richtung ihrer Zukunft nennt, zu verstehen.

Art in Context (Kunst im Kontext), Universität der Künste Berlin (UdK Berlin), Rundgang 2018
Hasan Aksaygın, Die Steine Medusas (Berliner Triptychon), 2018

Hasan Aksaygın
(geb. 1986 in Nikosia, Zypern) ist Konzeptkünstler, lebt und arbeitet in Berlin. Er arbeitet mit Leinwand, ortsspezifischen Wandmalereien und skulpturalen Objekten. Im Winter 2017 stellte er zwei Wandmalereien in Berlin aus. Eine dieser Arbeiten hat er in der NGBK im Rahmen des Ausstellungsprojektes „Bodylandscapeingtime“ und die andere in der Ausstellung „ğ – soft g – queer forms migrate“ im Schwulen Museum beigesteuert. Er hat einen B.F.A. an der Fakultät für Bildende Kunst der Marmara Universität, Istanbul (2005-2009) und das Diplom der Malerei / Freie Kunst ander Kunsthochschule Weissensee, Berlin (2010-2015) absolviert. Derzeit studiert er am Institut für „Kunst im Kontext“ der Universität der Künste Berlin (UDK).

Betreut von Prof. Dr. Jörg Heiser