Das Künstlerinterview in der Gegenwartskunst und kuratorischen Praxis

Mengting Ying

 

Anhand meiner Erfahrungen mit Künstler/innen-Interviews im Rahmen meiner Arbeit als Redakteurin der Online-Zeitschrift „SI“ habe ich das Interviewprojekt „Paralleler
Hügel“ als Studienprojekt am Institut für Kunst im Kontext entwickelt. Intendiert war, 15 in Deutschland lebende Kunststudent/innen und Künstler/innen zu interviewen. Bei meinem Besuch in den Ateliers habe ich Audiodokumente, Videoaufzeichnungen und Transkriptionen für ein Bucharchiv gesammelt. Nach dem Audio- und Videoschnitt und der Textfassung fragte ich mich: Warum werden so viele Künstler/inneninterviews im Kunstbetrieb produziert? Wird einer Künstlerin bzw. einem Künstler beim Interview zu viel Platz eingeräumt, sich selbst zu äußern, zu erklären und zu legitimieren? Ist ein Künstlerinterview inszeniert, weil es mit imperativen Fragewörtern, suggestiven Fragen etc. arbeitet und teilweise schon vorgeprobt ist? Um diese Fragen zu diskutieren, habe ich das Künstler/inneninterview in der Gegenwartskunst und kuratorischen Praxis analysiert.

Zunächst recherchierte ich die Geschichte des Künstler/inneninterviews von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis heute. Vor dem Hintergrund eigener Erfahrungen untersuchte ich die Themen und Methoden des Künstler/inneninterviews und befasste mich mit der Kritik an diesem Format. Einerseits recherchierte ich Fallbeispiele von Interviews in der künstlerischen Praxis wie William Furlongs kasettenbasiertes Sound Art Magazine Audio Arts und Andy Warhols Künstlerzeitschrift inter/VIEW. Andererseits knüpfte ich an die Verwendung des Künstler/inneninterviews in der Ausstellung „KünstlerInnen. 50 Positionen zeitgenössischer internationaler Kunst“ und in Hans Ulrich Obrists Interviewarchiv für die kuratorische Praxis an. Mein Künstler/ inneninterviewprojekt „Paralleler Hügel“ habe ich im schriftlichen Teil der Masterarbeit zusammenfassend dargestellt und kritisch reflektiert sowie auf einer beiliegenden CD dokumentiert.

Das Ziel meiner Masterarbeit ist, die Verwendungen des Künstler/inneninterviews im wissenschaftlichen Kontext kritisch zu hinterfragen und über die Authentizität und Unmittelbarkeit dieses Formats nachzudenken. Das Künstler/inneninterview als künstlerische Praxis wird auch von Künstler/innen selber gestaltet. Doch haben Kurator/ innen, Kunstkritiker/innen und Kunsthistoriker/innen mitunter eine Hauptrolle in den Künstler/inneninterviews eingenommen. Das gedruckte Interview kann die Vielschichtigkeit des Moments nicht abbilden, das heißt, des Ortes, des Gegenübers, der Interaktion usw. In der Verwendung des Künstler/inneninterviews in den verschiedenen Bereichen des Kunstbetriebs stellt sich auch das Problem der Personenzentriertheit in Verbindung mit der Interviewpraxis der Interviewer/innen. Das Künstler/inneninterview in der Gegenwartskunst und kuratorischen Praxis ist für mich ein wichtiges Forschungsthema, das es aus unterschiedlichen Perspektiven weiter zu erforschen und zu reflektieren gilt.

© Mengting Ying

© Mengting Ying

Mengting Ying (*1989, Shangrao, China). 2010 BA Fine Art, China Academy of Art. 2017 MA Art in Context, Universität der Künste Berlin. Lebt und arbeitet als Kuratorische Assistentin an der Galerie für zeitgenössische Kunst in Leipzig.

Betreut von Dr. Christiane Post und Claudia Hummel

Art in Context, Mengting Ying, udk berlin, Kunst im Kontext, Masterarbeiten art in context 2017, Institut für Kunst im Kontext

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